...Doch mein Hund bleibt mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde." - Ich war nicht anwesend, als Franz von Assisi diesen Spruch aufsagte, aber er soll mir als Einleitung in den nun folgenden Beitrag dienen: Wie ich auf den Hund kam.
Corona macht es möglich
Es ist schon lustig, wie schnell einschneidende Ereignisse eine völlig neue Zeitrechnung hervorbringen. Es ist das erste Coronajahr – 2020 – und wir haben alle gelernt, dass ein Großteil der Arbeitnehmer problemlos im Home Office sitzen und trotzdem seinen Job machen kann. Dass das nicht für alle Arbeitnehmer gilt, soll hier nicht das Thema sein.
Bestand mein Job schon vorher aus der reinen Tätigkeit am Laptop und war es somit egal, wo ich saß – Hauptsache, Strom und Internet waren vorhanden -, war auch ich nun gezwungen, meinen Beruf aus dem Home Office auszuüben. Dienstreisen, die mich bis dahin alle zwei Wochen für drei Tage ans andere Ende der Republik verschlugen (ich grüße hiermit das wunderschöne Saarland!), fielen flach. Und in dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit, über einen lange gehegten aber nie realisierten Wunsch zu grübeln – ich möchte einen Hund!
Conny
In meiner frühen Kindheit, auf dem Dorf in der ehemaligen DDR, hatten wir viele Tiere: Enten, Hühner, Hasen, ein Pony und einen Hund – Conny. Sie war ein Schäferhund und der liebste und gehorsamste Hund. Die Nachbarn mögen das anders sehen, denn sie ist gerne ausgebüchst und durch die Nachbarschaft gestreunt. Ich meine mich erinnern zu können, dass sie ihren Jagdtrieb zum Leidwesen der Nachbarstiere nicht abgelegt und dem ein oder anderen Hasen oder Huhn erfolgreich nachgestellt hat. Aber sie war unser Familienmitglied.
Als wir den Ort verließen, mussten wir alle Tiere hinter uns lassen – auch Pony Trixie und Hund Conny. Darüber bin ich wohl nie hinweggekommen. Mein Vater versichert mir, dass es Trixie gut ging, wo sie landete. Das kann man über Conny leider nicht sagen. Sie verblieb bei unserem damaligen Vermieter, der sie in einem viel zu kleinen Zwinger hielt und sie auch sonst nicht sehr gut behandelte. Wir haben sie nach ein paar Jahren besucht, und meine Eltern und ich waren geschockt und aufgelöst. Am liebsten hätte ich den Hund eingepackt und mitgenommen, sie konnte sich noch an uns erinnern und hatte sich unheimlich über unseren Besuch gefreut. Aber wir mussten sie auch diesmal zurücklassen. Danach haben wir Conny nicht wiedergesehen.
Falsche Zeit - falscher Ort
Bereits zum Ende meines Studiums habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir einen Hund anzuschaffen. Doch wie es immer bei mir ist: Wenn es sich nicht richtig anfühlt, ist es nicht der richtige Zeitpunkt für mich. Auch später, als ich schon in Berlin lebte und eine Führung durch das hiesige Tierheim machte, habe ich nicht die halbe Besetzung mit nach Hause genommen. Das war schon schwieriger, aber es blieb dabei: kein Hund für Janine.
Es formt sich langsam
Kommen wir zurück ins Jahr 2020. Corona hat die Welt im Griff, der Lockdown lässt uns zu Hause sitzen und zeigt uns, dass eine Anwesenheit im Büro oder beim Kunden nicht zwingend notwendig ist. Und dies eben lässt meine Erinnerungen, so schmerzlich sie auch sein mögen, wieder hochkommen und den Wunsch in mir präsenter werden, einen Hund in mein Leben ziehen zu lassen. Nachdem ich mir in der Frage „Adoptieren oder Züchter?“ schnell meine Meinung pro Adoption eines Hundes gebildet hatte, ging ich auf die Suche. Und ich kann sagen, dass das garnicht so einfach war!
Es gibt viele wundervolle Vereine, die sich um den Tierschutz kümmern. An erster Stelle für mich steht da natürlich das Berliner Tierheim. Leider wurde ich dort nicht fündig, denn ein Hund für Menschen ohne Hundeerfahrung war zu der Zeit nicht in der Vermittlung. Auch in den Tierheimen der brandenburgischen Umgebung wurde ich nicht fündig. Als nächstes suchte ich das Netz nach Tierschutzorganisationen ab, die Tiere aus dem Ausland nach Deutschland holen – Straßenhunde und solche aus dortigen Tierheimen. Mir war wichtig, dass ich dem Hund und seinen Bedürfnissen gerecht werden kann. Ich suchte also nach einem Hund mittlerer Größe (etwa 30 bis 40 cm Stockmaß), den ich im Notfall tragen kann (ich habe herausgefunden, dass das in etwa 16 kg sind), der verträglich mit anderen Hunden ist und ein gutes Mittelmaß an Faulheit und Aktivität braucht. Ich durfte lernen, dass Hunde ohnehin – je nach Alter – etwa 20 Stunden pro Tag schlafen oder ruhen.
Derweil in Italien
Es besteht ein Unterschied darin, Dinge tun zu wollen und sie dann tatsächlich durchzuziehen. Ich habe Abende im Internet verbracht und nach Hunden Ausschau gehalten, die zu mir, zu denen ich passen könnte. Ein Hund, für den ich mich interessierte, war bereits vergeben. Und dann sah ich da ein strubbeliges Wesen, das auf den Namen Biondina getauft wurde – aus offensichtlichen Gründen. Sie kam von der Straße. Wie lange sie dort lebte, das weiß ich nicht. Lieb und unterwürfig soll sie sein, verträglich mit anderen Hunden, kastriert, gechippt.
Es passiert tatsächlich
Ich schrieb den Verein Fortuna Animali an und bekundete mein Interesse an der Hündin. Ein paar Tage später machte ich einen Termin zur Vorkontrolle aus. Ist meine Wohnung hundetauglich? Wäre ich bereit, einen Trainer zu Rate zu ziehen, wenn ich Hilfe bräuchte? Mache ich überhaupt einen fähigen Eindruck? Alle Fragen wurden mit „Ja“ beantwortet, denn mir wurde direkt gesagt, dass einer Adoption nichts im Wege stünde. Nach weiteren Wochen mit Abstimmungen mit dem Tierschutzverein und einer verschobenen Ausreise von Biondina war der 14.11.2020 dann endlich der Tag, an dem ich sie würde abholen können. Nach 24 Stunden Fahrt mit regelmäßigen Pausen kam sie an. Ihr stand die Angst ins Gesicht geschrieben, sie war panisch. Und sie wollte direkt flüchten, als sie aus dem Transporter geholt wurde.
Ella - Aller Anfang ist schwer
Biondina mochte ich nicht besonders – Blondine, Blondie. Als feststand, dass ich sie adoptieren würde, wählte ich recht schnell den Namen Ella. Auf der Fahrt nach Hause saß ich auf der Rückbank im Auto neben ihr. Irgendwie haben wir sie aus dem Auto in meine Wohnung gebracht, obwohl sie das überhaupt nicht wollte. Klar – bisher bedeutete jeder Transport ein unbekanntes Ziel mit unbekannten Menschen und potenzieller Gefahr. Aber wie mir prophezeit wurde: Die Couch finden Hunde ganz schnell.
Dort verbrachte Ella dann den restlichen Abend, den nächsten Tag…die ganze Zeit. Ich wusste, sie würde nicht gleich stubenrein sein und hatte Wickelunterlagen besorgt. Aber dass ich sie nun überhaupt nicht aus dem Haus bekommen würde oder nur, wenn ich sie trug, das hatte ich nicht geahnt. Draußen hat sie sich nicht bewegt, saß in einer Ecke des Vorgartens und war völlig verkrampft. Nach einer Woche, in der es so ging und sie nur nachts etwas aß und trank und sich auch nur dann erleichterte, schrieb ich eine Hundetrainerin an, ob sie mir helfen könne. Glücklicherweise hat sie sich Zeit nehmen können für mich. Nach 14 Tagen, die Ella bei mir war, übten wir alles rund ums Gassi gehen – also von der Couch runter, Geschirr an, Leine an, aus der Wohnung, durch das Treppenhaus, raus auf die Straße und dann eine Runde laufen. Es würde ein paar Tage dauern, bis es klappt, sagte die Trainerin.
Meilensteine
Es klappte direkt am selben Abend. Und seitdem hat Ella einen Meilenstein nach dem anderen erreicht. Ella lernte, mir zu vertrauen. Ella lernte, dass eine Autofahrt immer mit mir zusammen stattfindet und sie abends immer wieder zuhause ankommt. Ella wurde Bürohund…Ella kam also endlich an. Wir sind ein Team geworden. Ich lerne jeden Tag dazu, was es heißt, die Führung zu übernehmen und trotzdem Raum zu lassen. Ella stellt sich mal mehr und mal weniger mutig neuen Aufgaben und Situationen, wir haben beide noch viel zu lernen. Doch sie hat viele Menschen um sich, die sie liebt. Dort kann ich sie auch mal übernachten lassen („Darf ich mir Ella für ein paar Tage ausleihen?“), und immer wieder hören wir diesen Satz: „Hat sie aber schöne Augen!“ So ist sie – meine Ella.